„Wir müssen das, was wir haben froh und gerne geben“

Reichtum fesselt, Besitz macht unfrei, solange das eigene kleine Ich der Herr im Hause ist. Es fehlen die leeren Hände, weil sie im Krampf gebunden sind. Selbst wenn Überfluss sorgenfrei machen könnte, ist es der Gier nie genug. Gier treibt immer weiter zu Neuerwerb wie ein Sklavenhalter. Darüber verdorrt das Herz, erstirbt die Seele, wächst die Einsamkeit im Umfeld.
Geben ist seliger als Nehmen. Dem Hartherzigen bleibt dies ein Geheimnis. Der Freigebigkeit gelingt es, dieses Geheimnis zu erfassen und zu deuten. Weil sie nicht am Besitz klammert und festhält, öffnet sich das innere Auge, erkennt die Not des andern, empfindet die fremde Last und gibt aus Dankbarkeit das Eigene mit Freude.

„Seht, ich habe es immer gesagt, man muss die Menschen froh machen“

Frohe Gesichter sind Mangelware. Äußere Freuden sind flüchtig und unstet. Sie sind zu seicht, um dauerhaftes Glück zu vermitteln. Nur die Freude der Seele wirkt Wunder. Das selbstlose Herz hat zudem die Fähigkeit, verschlossene Fenster im anderen zu öffnen, Finsternis mit Licht zu füllen, Griesgrämigkeit zu entkrampfen, Hoffnungslosigkeit zu erwärmen und Brücken zu schlagen über die Gräben von Gleichgültigkeit, Zorn und Ablehnung. Wenn echtes Mitgefühl Vorschuss leistet, gelingt es dem Lächeln leichter, auf dem Gesicht des anderen Menschen ein Echo zu wecken.

„Der Herr ist nahe, betrübe ihn nicht!“

Gott ist unsichtbar. Liebe spürt ihn auf in seiner Verborgenheit. Liebe kann warten. Sie drängt nicht, wird nicht ungeduldig. Sie ist sich der eigenen Kleinheit bewusst. Ihre Sprache ist Sehnsucht, nicht Anmaßung. Eine heilige Scheu bewahrt sie vor Vermessenheit.
Liebe blickt nicht nur nach innen. Ihre Hellsichtigkeit erkennt auch im anderen Menschen die Nähe Gottes. Dort ist seine Anwesenheit gefährdeter, als im eigenen Herzen. Denn die Vielschichtigkeit, Widersprüchlichkeit und Schwäche des anderen Menschen in all seinen Facetten versperrt den Blick für Gottes Nähe hinter und unter dem Dunkel dieses Verhaltens. Der Liebe allein eignet die Sehschärfe, diese Dunkel zu durchbrechen, um das göttliche Licht zu schauen.

„Ich schließe Ludwig in meine Liebe zu Gott ein, und ich hoffe, dass Gott, der die Ehe geheiligt hat, uns ein ewiges Leben gewähren wird.“

Das Herz der Heiligen Elisabeth gleicht einem leuchtenden Stern am Himmel der Liebe. Ihr Herz vermag zwei Flammen der Liebe zu binden, um sie beide aneinander zu steigern. So verlieren beide Liebesflammen ihr Auseinanderstreben und werden zum Wunder. Dieses Wunder leuchtet über dem Abgrund unserer Liebeswunden. Wir verwechseln Liebe mit Leidenschaft, Hingabe mit Sucht nach eigenem Genuss. Wir entwickeln die Kunst des Berechnens, statt der Kunst des Schenkens. Wir sagen „Du“ und meinen „Ich“. Daran zerbrechen unsere Ehen. Wir werden immer liebesunfähiger, selbst wenn wir die Abwechslung in der Partnerschaft als Ausweg suchen. Belastete Erinnerung verschließt uns das Glück wahrer Liebeseinheit. Wäre Gott der Dritte im Ehebund, blieben wir bewahrt.

„Lass Dir die Demut am Herzen liegen.“

Unser Herz ist das Kostbarste. Das Licht des Verstandes fasziniert. Aber unser Herz sieht besser, wenn es um die Geheimnisse des Lebens geht. Unser Herz ahnt die Gefahren, denen sich der Verstand unbekümmert naht. Ihn zieht es nach Ruhm und Ehre. Machthunger kann ihn betäuben und trunken machen. Oft warnt das Herz vergebens, bis ihm die Bitterkeit der Enttäuschungen zu Hilfe kommt. Wie anstrengend ist es dann für das Herz, diese Bitterkeit nicht zur Verbitterung werden zu lassen.
Kann Demut diese Schmerzen verhindern?
Der Gedemütigte erahnt es. Der Demütige weiß es. Das innere Licht der Wahrheit schützt ihn vor der Verblendung durch Ehre, Ruhm und Macht. Demut verachtet nicht diese Lebensgüter, aber sie begehrt sie nicht. Es sei denn, Gott will sie in ihren Dienst stellen.

„Wie kann ich eine goldene Krone tragen, wenn der Herr eine Dornenkrone trägt. Und er trägt sie für mich.“

Der Glanz der goldenen Krone ziert die Häupter der Großen dieser Welt. Könige und Kaiser stehen auf der Spitze der Stufenleiter menschlicher Herrlichkeit.
Das Königskind Elisabeth aus Ungarn ist die Landgräfin auf der Wartburg. Der krasse Gegensatz von Verschwendung am Hof und die Armut des Volkes rüttelt sie wach und schärft ihren Sinn für Gerechtigkeit. Im Blick auf den Gekreuzigten mit der Dornenkrone schwindet ihr die Freude am Glanz weltlicher Ehrenstellung. Elisabeth wird angezogen vom Ausmaß göttlicher Liebe im Angesicht des Gekreuzigten, das ihr zum Spiegel für das Elend und die Not des Volkes wird. Elisabeth wechselt die Seiten, stellt sich mutig zu den Armen und Ausgestoßenen und sorgt für sie wie eine Mutter.

„Ich weiß den Herrn um nichts anderes zu bitten, als dass sein Wille geschehe.“

Dieser Satz lässt in die Tiefe und Lauterkeit einer Seele blicken, die durchdrungen ist zur Freiheit von sich selbst und damit zur Befreiung von allem, was nicht Gott ist. Wie weit ist der Weg zu dieser göttlichen Höhe. Wie staunenswert ist es, dass Elisabeth in wenigen Jahren diese Höhe erklimmen kann. Die Leidenschaft ihres Temperamentes und der Mut gegen allen äußeren Widerstand dem inneren Zug der Gnade zu entsprechen, lassen sie alle Hürden überwinden.
Auch wir Mittelmäßigen sehnen uns in unseren besten Stunden nach dieser Großmut: Gottes Willen als einzigen Maßstab unseres Lebens zu werten. Aber mit dem Verblassen des Gnadenstrahles einer solchen Einsicht legen sich die Bleigewichte unserer Wünsche, Neigungen und Bedürfnisse wie ein Schleier über dieses Licht. Das Schwergewicht unserer Egozentrik verlangt seinen Zoll.

Gern müssen wir Leiden erdulden, sind wir doch wie Schilf, das am Flussufer wächst. Schwillt der Fluss, so beugt sich das Schilf und taucht unter, und das Wasser fließt darüber hinweg, ohne es zu verletzen. Hört aber das Hochwasser auf, so richtet sich das Schilf wieder empor und wächst in seiner Kraft fröhlich und erquickt weiter.

Ohne Liebe bleibt Leid Leid. Keiner wird sich freiwillig ans Leid ausliefern, solange ihm der wahre Sinn des Leides verborgen bleibt. Liebe und Leid sind die beiden Seiten einer einzigen Medaille. Die Sinnhaftigkeit der Leiden als unsere Stufenleiter ins bleibende Glück verbirgt sich solange, bis ein inneres Licht den Schleier lüftet. Elisabeth empfindet und beurteilt uns als Schilf, nicht als stolzen Baum. Die demütige Haltung inmitten der Prüfungen und Heimsuchungen des Lebens wird nicht gebrochen von den Stürmen, die im Leben keinem erspart bleiben können. Wer sich geschmeidig wie Schilf biegen und beugen lässt, überlebt den Sturm und zieht aus der Belastung neue Lebenskraft.

„Ich zürne denjenigen nicht, die mich verleugnen und verachten, denn Gott ist meine ganze Liebe.“

Unser Verlangen nach Ehre und Anerkennung wird im Nerv getroffen, wenn ungerechterweise Verachtung und Verleumdung uns den guten Namen rauben und uns zutiefst verletzen in unserem Selbstwertgefühl. Solange wir eingebunden sind in den Kodex der allgemeinen Werturteile, fühlen wir uns ausgegrenzt, wenn uns die Achtung der anderen entzogen wird. Wir leiden darunter stärker als unter Hunger und Durst, als unter Armut und Elend. Denn der Boden ist uns entzogen. Wir fallen ins Nichts. Wie ganz anders erfahren wir uns, wenn wir auf dem Boden der Liebe Gottes stehen, dessen Urteil uns alles bedeutet. Der Schmerz bleibt zwar. Aber er mildert sich im Bewusstsein, dass Gott uns freispricht, dass Gott uns nicht fallenlässt, sondern uns in Liebe an sich zieht. Dieser krasse Gegensatz im Verleumdetsein durch die Welt und im Angenommensein durch die Gottesliebe lässt uns Abstand gewinnen, ohne uns zu verschließen. Die Leiderfahrung weitet unseren Blick, macht uns frei von den Abhängigkeiten von der Meinung der andern und entwickelt unsere Liebesfähigkeit zur demütigen Würde.

„Herr, so willst Du mit mir sein und ich will mit Dir sein und niemals von Dir getrennt werden.“

Keiner kann lieben, ohne zuvor geliebt worden zu sein. Dies gilt von uns Menschen, die wir doch wesensmäßig gleich sind. Um wieviel mehr bedarf unser Herz zuerst der Zuwendung der göttlichen Liebe, damit wir uns mit unserer Liebe in seine Arme werfen können. Wer das Meer an unendlicher Liebe ahnt und es wenigstens von Ferne in Augenblicken zu schauen vermag, dem brennt im Herzen eine Wunde, die nie verheilt.
Wie klein erscheint dann menschliches Lieben, selbst wenn es alles zu geben vermag. Wie groß erscheint menschliche Liebe, wenn in ihr der Widerschein der göttlichen Liebe aufleuchtet. Elisabeth vermochte beide Liebeswelten in sich zu vereinen. Und gerade dadurch verlor sich ihre Liebesfähigkeit in die Sehnsucht, nie mehr davon getrennt zu werden.